Als ein philippinischer Aberglaube auf mich übergriff

Unseren ersten gemeinsamen Jahreswechsel verbrachten mein heutiger Ehemann und ich vor nun fast schon zehn Jahren gemeinsam mit Freunden im Ennstal. Da einige gemütliche Schitage geplant waren und die Wettervorhersage klirrende Kälte ankündigte, quoll unser Gepäck beinahe aus dem Auto hinaus.

Am Tag zuvor während des dementsprechend stressigen Kofferpackens hatte mein Freund darauf bestanden, dass wir einen gut sortierten und bestückten Obstkorb mitnehmen müssen. „Wofür brauchen wir Obst? Wann sollen wir das essen…zu Mittag schlemmen wir auf der Skihütte und in der Unterkunft haben wir Halbpension gebucht. Ich bin mir sicher, dass es zum Frühstück Äpfel, Bananen oder Fruchtsalat geben wird!“ Die Hoffnung, dass meine guten Argumente bei ihm Gehör fanden, schwand sehr schnell. „Meine Mama hat die Früchte schon besorgt. Das ist ein philippinischer Brauch, um im neuen Jahr Glück zu haben! Das Obst muss in einem Korb gelagert über Silvester am Tisch stehen. Wir dürfen es erst am 2. Jänner essen!“ „Na toll!“ dachte ich mir. Da erst der 29. Dezember angebrochen war, würden die Früchte bestimmt verfaulen. Wofür also der ganze Aufwand?

Widerspruch war zwecklos, das Obst reiste in einem Sackerl auf dem Kofferberg thronend mit in die Steiermark. In Aigen angekommen drapierte mein Freund die Früchte auf einem extra mitgebrachten Teller. Der Tisch in unserem Zimmer – beides nicht überdimensioniert – war nun nicht mehr als Ablagefläche für unser Ski-Equipment (Handschuhe, Helm etc.) zu nutzen. Unsere Freunde schüttelten lachend den Kopf, als sie unser kleines Reich betraten, zeigten aber doch Interesse an der exotisch anmutenden Tradition.

War es dem Obstkorb geschuldet oder nicht, wir verbrachten einen der lustigsten Silvester unseres Lebens, konnten die Tage darauf das sonnige Traumwetter bestens auf der Piste nutzen, unsere damals noch sehr junge Beziehung überstand eine mehrmonatige studienbedingte Trennung unbeschadet und auch sonst ist das Jahr 2009 als ein sehr glückliches in unserer Erinnerung geblieben. Meine Skepsis gegenüber diesem Aberglauben ist verflogen. Seither gibt es zum Jahreswechsel immer einen Obstkorb in unserer Wohnung. Über die Jahre wurde die Selektion größer und die Früchte exklusiver. Wir achten gemäß der Interpretation des Brauches von meiner Schwiegermutter darauf, dass eine möglichst runde Zahl (die Form der geschriebenen Zahl soll eine Rundung beinhalten: z.B. 8, 10, 13, 15…) an Früchten gewählt wird und innerhalb der einzelnen Sorten die Stückanzahl ungerade ist. Andere Auslegungen der Tradition besagen, dass für jeden Kalendermonat eine Fruchtsorte im Korb vorhanden sein muss. Idealerweise sollte die Form komplett rund sein, aber so genau nehmen wir das nicht und es „verirren“ sich auch Bananen in den Korb (diese sind ja immerhin gekrümmt).

Jahr für Jahr ertappe ich mich dabei, wie ich die Früchte immer und immer wieder in meinem Einkaufswagen panisch durchzähle. Ich bin mir sicher, in Zukunft werde ich auch meine (österreichische) Familie überzeugen, dass es für ein glückliches und gesundes neues Jahr liebevoll ausgewähltes und arrangiertes Obst über den Jahreswechsel benötigt! Zumindest schadet der Korb niemandem – ein Österreicher würde sagen: „Nutzt’s nix, schadt’s nix!“. Jedenfalls startet man beginnend mit dem 2.1. vitaminreich in den Jänner!

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